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2 Entstehungsgeschichte des Namens

Der Name „Hexenbruch“

Auf einem alten Stadtplan von Würzburg mit Umgebung, 1810 entstanden, findet man bereits die Bezeichnung „Hexenbruch“. Ein Katasterplan von 1834 ist etwas genauer; er bezeichnet als „Hexenbruch“ ein Steinbruchgelände, das auf Würzburger Gemarkung zwischen der heutigen Wittelsbacher Höh und dem Allerseeweg liegt. Der Anfangsbereich des heutigen Alleeweges - in einer Würzburger Straßen- und Wegekarte als „Weg im Hexenbruch“ verzeichnet - kann man noch den ehemaligen Steinbruch erkennen (ein großer Teil wurde in den 50er Jahren dieses Jahrhunderts verfüllt). Durch Umgemeindung liegt ein Teil dieses Geländes heute auf Höchberger Gemarkung.

Der Name erinnert an die Verbrennung der letzten „fränkischen Hexe“, die Nonne Renata Singer aus dem Kloster Unterzell, im Jahre 1749 in eben diesem Steinbruch. Als letzte Hexe auf deutschem Boden ist Maria Schwägeli, eine vom Schicksal verfolgte arme Bauernmagd, am 11. April 1775 in Kempten enthauptet worden. (Neuere Forschung zeigt: Maria Schwägeli war als Hexe angeklagt, ist aber im Gefängnis eines natürlichen Todes gestorben.) In Glarus (Schweiz) war es Anna Göldin 1781, in Polen soll noch 1793 eine Hexenhinrichtung gewesen sein.

Geschichte der Hexenverbrennungen in Würzburg

Ab 1300 lassen sich einzelne Hexenprozesse nachweisen. Es gab aber keine Hinrichtungen, nur Stadt- oder Landesverweis. Hinrichtungen sind erst ab dem 16. Jahrhundert belegt. Unter Fürstbischof Julius Echter (1573 - 1617) gab es einige Verbrennungen in Würzburg, eine Quelle spricht von 300 im Hochstift. Auch unter Gottfried von Aschhausen (1617 - 1622) sind Hexenhinrichtungen belegt. Unter seinem Nachfolger Adolf von Ehrenberg (1623 - 1631) brach ein regelrechter Hexenwahn aus. In den Jahren 1627 bis 1629 wurden in Würzburg in 42 „Bränden“ 219 Personen - einschließlich 43 Geistliche - verbrannt. Das Reichskammergericht in Speyer verbot dann diesen Spuk. Franz von Hatzfeld (1631 - 1642) mußte bald nach seiner Wahl vor den Schweden fliehen. Nach seiner Rückkehr am 23. Dezember 1634 lassen sich einzelne Hexenprozesse nachweisen.

Fürstbischof Philipp von Schönborn (1642 - 1673), der Rechtswissenschaften studiert hatte und die Schrift „Cautio Criminalis“ des Mahners gegen den Hexenwahn, des Jesuiten Friedrich Spee von Langenfeld, kannte, untersagte die Hexenverfolgung strikt. Noch im Jahre 1667 forderte die Bevölkerung von Amorbach die Verbrennung einer Reihe von Leuten wegen Zauberei. Philipp von Schönborn schenkte den Verhafteten wieder die Freiheit. In einer Kirchenordnung von 1669 bestimmt er, daß Verbreiter des Wahns rücksichtslos zu bestrafen wären. Fürstbischof Franz von Hutten (1724 - 1729) ließ nach erneutem Aufleben Anhänger des Amulettglaubens und des Zauberwahns nach Verwarnung zu Schanzarbeiten heranziehen. Verdächtige Schulkinder suchte man durch Stockschläge zu bessern.

Erst in der Regierungszeit eines der Erbauer der Residenz, des Fürstbischofs Franz von Ingelheim (1746 - 1749) kam es nach über 100 Jahren wieder zu einem Hexenprozeß. Unter dessen Nachfolger, dem Fürstbischof Philipp von Greiffenklau (1749-54) - er war der Auftraggeber Tiepolos - endet dann dieser Prozeß gegen die Subpriorin des Prämonstratenserinnenklosters Unterzell, Maria Renata Singer von Mossau, mit Hinrichtung und Verbrennung.

Kurze Geschichte des Klosters Unterzell

1128 gründete der Hl. Norbert das Prämonstratenserkloster Oberzell. Schon bald nach der Gründung wurde ein Frauenkonvent angegliedert. Um 1260 verlegte man das Frauenkloster mainabwärts und unterschied künftig „Oberzell“ und „Unterzell“ (auch Frauenzell genannt). Die Gemeinde Zell nannte man Mittelzell. Einige Jahrhunderte konnte das Kloster Unterzell überleben.

Anfang des 16. Jahrhunderts folgte ein langsamer Niedergang. Die Lehre Luthers fand in Franken viele Anhänger. Neueintritte blieben aus, während Nonnen das Kloster verließen. Am 29. April 1525 plünderten aufständische Bauern das fast leere Kloster.

Abbildung 2-1: Kloster Unterzell 1941.

1562 nahm der Würzburger Fürstbischof Kloster und Klostergüter in seine Verwaltung. Erst nachdem später die Ordensvisitatoren von Kloster Tepl und Strahov (beide heute Tschechische Republik) die Rückgabe angemahnt hatten, konnte nach einem völligen Neubau der Konvent 1642 einziehen. Ein Propst stand nun dem Kloster vor, ihm zur Seite eine Priorin und eine Subpriorin. 1803 wurde das Kloster aufgelöst.

Das Leben Renata Singers

Maria Renata Singer von Mossau wurde geboren am 27.12.1679 in Niederviehbach bei Dingolfing. Der Vater war hoher Offizier beim kaiserlichen Militär. Von ihrem Leben vor dem Eintritt ins Kloster ist nichts bekannt; vermutlich aber war die Familie auch bei kriegerischen Einsätzen beim Vater. Bei der Hexenanklage 1749 sagte Maria Renata aus, daß sie in ihrer Jugend Kontakt zu Reitern und Kriegsleuten gehabt habe. Am 12. Mai 1699 brachte Freifrau Singer von Mossau ihre 19jährige Tochter Maria Renata nach Kloster Unterzell. Nach etlichen Wochen wurde sie investiert (eingekleidet), nach 2jähriger Probezeit und einer Prüfung legte sie am 17.07.1701 ihr Profeß ab. Sie hatte einen Bruder, Marquart, der Obrist beim Würzburger Militär war.

Maria Renata, die ihren bürgerlichen Namen auch im Kloster trug, muß eine angesehene, untadelige Schwester gewesen sein, denn sie bekam besondere Aufgaben im Kloster. In den Aufzeichnungen des damaligen Propstes Dr. Balthasar Röthlein (1718-30) ist zu lesen: „Den 2ten Septembris (1720) hat Herr Probst durch eine schriftliche Ordination, so die Frau Mutter Priorin im Capital (Versammlung der Schwestern im Kapitelsaal) abgelesen, Schwester Miriam Renatam Singerin a Mossau, bishero gewesene Circatricem und Custorin (wirtschaftliche Aufsicht und Küsterdienst) zu einer Subpriorin gesetzt, weilen die vorige Subpriorin, Schwester Maria Catharina Neusesserin, mehrmalen von diesem Ambt entlassen zu werden gebettet, auch andere erhebliche Ursachen solche Mutation (Wechsel) erforderet.“

Bei Rechtsgeschäften des Klosters war auch die Unterschrift der Subpriorin erforderlich. Aus dem Protokollbuch: „... 25ten Mai 1724...den Jungfrauen Konvent von mir (Propst Röthlein) fürgelesen, expliciert (erklärt) und von Frau Priorin und Subpriorin nomine conventus (im Namen des Klosters) unterschrieben.

Das Kloster Unterzell zur Zeit Schwester Maria Renatas

Die Zeit, in der Renata Singer im Kloster Unterzell lebte, war im Nachhinein gesehen eine ruhige Zeit. Es gab in Franken keinen Krieg und keine Unruhen (Frauenklöster waren für Plünderungen besonders gefährdet). Die Landwirtschaft und der Weinbau blühten. Die 1609 bis 1611 erbaute Klosterkirche wurde gründlich renoviert und barock ausgeschmückt. 1721 wurde der Heerstadter Hof (heute fälschlicherweise Hettstadter Hof), der zu Kloster Unterzell gehörte, neu aufgebaut und vergrößert.

Der 1690 in den Besitz des Klosters gelangte Hof zum „Großen Löwen“ (Dominikanergasse 6) wurde 1721/22 durch einen Neubau ersetzt, um bessere Keller zum Lagern des klösterlichen Weines zu erhalten und außerdem die Bewohnbarkeit für den Konvent bei Kriegsgefahr zu sichern.

Abbildung 2-2: Konventgebäude des Klosters Unterzell 1941.
Das Zimmer über dem Torbogen soll Renata Singer bewohnt haben.

Prozeß und Hinrichtung

Anklage

Man schrieb das Jahr 1749. Etwas für uns heute Unglaubliches, ja Schreckliches geschah: Die Chorschwester Maria Renata Singer von Mossau wurde nach 50jähriger Klostermitgliedschaft als Hexe und Zauberin angeklagt, verurteilt und hingerichtet. Hingerichtet kurz vor Anbruch einer neuen geistesgeschichtlichen Epoche, der Aufklärung. Immer noch galten Hexenflug, Teufelspakt und Schadenszauber als Anklagepunkte, die mit dem Tode zu bestrafen waren. Die Prozeßakten von 1749 sind im Staatsarchiv erhalten und geben Einblick in den Ablauf der Anklage.

Schon ab 1738 schienen im Kloster die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht mehr zu stimmen. Es herrschten Neid und Mißgunst. Nach verschiedenen Vorfällen wurde Maria Renata der Hexerei verdächtigt. Aus diesem Grund wurden ihr die drei schwarzen Klosterkatzen weggenommen, die sie mit auf ihr Zimmer nahm und man sagte, diese seien ihre dienenden Teufel. Die Kunde von diesen Ereignissen drang bis nach Zell; dort wurde nun jede Krankheit, jedes Viehsterben und schlechte Ernte auf die Hexe im Kloster geschoben.

1744 trat ein Fall von Besessenheit bei einer jungen Schwester auf, der heute wohl als Epilepsie diagnostiziert würde. Die immer heftiger werdenden Anfälle wurden als dämonischen Ursprungs gedeutet. In der Folgezeit werden im Kloster mehrere Fälle von Besessenheit registriert. Es kam wie zu einer „ansteckenden" Besessenheitsepidemie. Sechs Schwestern wurden in den Akten als besessen bezeichnet. Heute kann man annehmen, daß es gemütskranke und depressive Personen waren.

Anfang des Jahres 1749 verstärkten sich anscheinend die Vorwürfe gegen die Subpriorin Maria Renata. Auch scheint es, war Renata mondsüchtig. Nur so können ihre nächtlichen Wanderungen durch das Kloster erklärt werden. Verschiedene Mitschwestern fühlten sich dadurch geängstigt. Aus den Akten: „Da aber die Zauberin verschiedene ihrer Mitschwestern des Nachts zu beunruhigen und sehr zu plagen nicht nachliese, nahm endlich eine annoch lebende Chorjunfer ihre mit scharfen Spohren bewaffnete Disciplin (ein Gerät zur Kasteiung) und haute tapfer auf die Hex zu und hieb sie so zum Zimmer hinaus, erzehlet sofort den folgenden Tag dem Herrn Propsten ..." Im Gesicht Renatas wurde eine Verletzung gefunden, die von diesem „Disciplinenhieb" stammten mußte. „... fand Herr Propst für ratsam beklagte Subpriorin ganz unversehens, da sie aus dem Chor ging, in Verhaft zu nehmen ...".

Renatas Zimmer wurde untersucht; dabei wurden eine Schmiere, Kräuter und ein gelbes Tuch gefunden, die als Hexenutensilien gedeutet wurden: Hexenschmiere, Zauberkräuter und ein gelbes Röcklein zum Ausfahren zu Hexenversammlungen. Während eines klosterinternen Verhörs am 5. Februar 1749 gestand sie angesichts dieser „Beweismittel", seit über 60 Jahren eine Hexe zu sein.

Aus heutiger Sicht stellt sich dieser Vorgang so dar: Eine 69jährige Frau (für die damalige Zeit ein hohes Alter), die seit 50 Jahren im Kloster Unterzell lebte, das ihr Zuhause, ihr Lebensinhalt und soziales Umfeld war, wurde eingesperrt, geschlagen und eines Verbrechens beschuldigt, auf das die Todesstrafe stand. Ihr Seelenheil wird sie als äußerst gefährdet angesehen haben.

Das geistliche Gericht

Nach diesem „Geständnis" wurde dem Bischöflichen Ordinariat Meldung gemacht. Fürstbischof Franz von Ingelheim ließ eine Kommission zur Untersuchung des Falles bilden. Am 19. Februar 1749 fand die erste Befragung durch die geistlichen Richter statt.

Aus den Akten:

„Protocolli Inquisitionis professce in Parthenone
Cella Die inferioris
Aktum Unter-Zell in dem Oberen Sprechzimmer den 19ten Februar 1749.
Praesentibus
Hrr. Geheim und geistl. Rath Dre. Barthel
me. geistl. Rath Dre. Wenzel
A.R.P. Staudinger ministro Collegii S.J.
R. P. Munier, professore Theologia S.J."

Die psychisch und physisch angegriffene 69jährige mußte zum Verhör getragen werden. Die Durchführung der Befragung war detailliert ausgearbeitet. Über 200 Fragen (überwiegend Suggestivfragen) waren von der Inquisitin, oft mehrmals, zu beantworten.

Die Fragen zum Hexendelikt waren gegliedert in:

  • Erlernen der Hexerei
  • Das Teufelsbündnis
  • Der Schadenszauber
  • Die Hexenversammlung
  • Die Teufelsbuhlschaft
  • Die Verunehrung geweihter Hostien
  • Das „Mäusemachen"
Maria Renata „gestand", daß sie schon als Kind von einer alten Frau zu Hexerei verführt wurde und dem Großen und der Großin (Gott und Maria) abschwören mußte. Später habe sie mit ihrem eigenen Blut ein Teufelsbündnis unwissentlich (wegen ihrer Jugend) unterschrieben. Bei Hexenversammlungen sei sie des öfteren gewesen und durch geschlossene Fenster oder Türen ausgefahren. Ein goldgelbes Röcklein habe sie vorher angezogen und die Füße mit Hexenschmiere bestrichen. Mittels Wurzel, Kräuter oder Anhauchen verschiedentlich Schaden verursacht zu haben, gab sie zu.

Obwohl dem Teufel verschrieben, trat sie in das Kloster Unterzell ein, mit der festen Absicht, dem Kloster und anderen Menschen zu schaden. Dies wurde ihr als „unglaubliche Bosheit" zur Last gelegt. Vor allem sechs Chorschwestern hier im Kloster habe sie behext und besessen gemacht. Die Schändung konsektrierter Hostien, ein Vergehen, auf das allein schon die Todesstrafe stand, auch dies gab sie zu.

Nach dem zweiten Verhör durch die geistliche Kommission am 21. Februar 1749 wurde Maria Renata zur Abwendung weiteren „Unheils" im Kloster auf die Festung Marienberg gebracht. Aus Sicherheitsgründen wurde ihr die Aussicht zum Kloster verwehrt: „... angesehen solches Zimmer den Prospekt nicht nachen Zell sondern gegen den Nicolaiberg hat, ansonsten ein nicht einer Gefängnis ... sondern ehrlicher Wohnung gleichendes Zimmer ..." .

Beim Lesen der Akten fällt auf, daß Maria Renata alle Vergehen zugibt, die ihr vorgesagt werden. Hat sie Angst vor Folter? Sieht sie keine Chance, sich von der Hexenanklage zu befreien und ist nur auf ihr Seelenheil bedacht? Diese Fragen müssen offenbleiben.

Wie stark der Hexenwahn und die Angst vor Zauberei in der Bevölkerung noch vorhanden war, zeigt eine Begebenheit aus diesen Tagen in Zell. Am Tag, bevor die „Hexe" aus dem Kloster in einer Chaise zur Haft auf die Festung Marienberg gebracht wurde, gab der Zeller Schultheiß Peter Weckesser durch Ausschellen bekannt, die Leute sollten sich von der Straße fernhalten und auch von den Fenstern bleiben, damit ihnen von der Renata nichts passiere.

Sechs Verhöre der geistlichen Kommission mußte Maria Renata über sich ergehen lassen, ehe am 28. Mai 1749 das Urteil gefällt wurde. Die Übergabe an das weltliche Gericht erforderte die Degradation, denn es war keinem Laien erlaubt, eine geistliche Person zu richten. Renata mußte ihr geistliches Habit ablegen und bürgerliche Kleidung tragen. Dr. Barthel, der Leiter der geistlichen Kommission, wollte Renata retten, konnte sich aber nicht durchsetzen. Auf seine Initiative hin wurde in das schriftliche Urteil eine Empfehlung an das weltliche Gericht eingearbeitet. Im Urteil wurden 13 Anklagepunkte angeführt, die Renata gestanden hat. Der Schluß lautet:

„Solchenach wird von dieser bischöflichen Comission der Maria Renata Sengerin von Mossau professin des Klosters Unterzell unter Würzburg des Praemonstratenser Ordens aller ihrer geistlichen Freiheiten entsetzet, hiermit dem weltlichen Richter würklichen übergeben, und überlaßen, mit dem Ersuchen jedoch, daß von dehme Richter aus Lieb gegen Gott und in Anbetracht dieser von gegenwärtiger Comission hiemit geschehene Ersuchen gegen die da seyende arme Sünderin weder zu einiger Todts noch anderer Gliederstümlangstraf fürgeschritten werden möge."

Der weltliche Prozeß

Die Aufgabe des weltlichen Gerichts lag sowohl in der Untersuchung des Verbrechens als auch in der Urteilsfällung. Am 29. Mai 1749 trat das weltliche Gericht zur ersten Sitzung zusammen. Die Hofräte Ebenhöch und Unger sowie Regierungssekretär Sartorius übernahmen die Verhöre Renatas. Zwischen den einzelnen Verhören fanden Sitzungen statt, an denen Vizekanzler Reibelt und bis zu 15 Hofräte teilnahmen. Insgesamt wurde Renata fünfmal verhört. Drei Zeugen traten auf . Ebenso wurden die sechs „besessenen" Schwestern aus dem Kloster verhört.

Hofrat Ebenhöch empfahl als Verhörbasis die Verlesung des geistlichen Inquisitionsprotokolls. Durch besondere Fragen sollten noch Mittäter entlarvt werden. Im wesentlichen bestätigte Renata die verlesenen Punkte des geistlichen Vernehmungsprotokolls. Bei Fragen nach Mittätern nannte sie etliche bereits verstorbene Personen. Auf Drängen des Gerichts gibt sie zwei lebende Personen an, die auch auf Hexenversammlungen gewesen seien . In mehreren Sitzungen des Gesamtgremiums wurde das Endurteil beraten und abgefaßt.

Die Frage nach Leben oder Tod stand nach den Tatbeständen der Hexerei nicht zur Debatte, sondern allein die Art der Exekution. Der Schuldspruch lautete: lebendig verbrennen. Der Fürst milderte das Urteil ab: Enthauptung und Verbrennung der Leiche.

Aus dem Akt M.S.f. 20.

„End - Urtheil"

In peinlicher Inquisitions-Sach Mariae Renatae Sengerin von Mossau des Klosters Unterzell, Praemonstratenser Ordens ehemalige Professin punkto Magiae et sortilegij, dann anderen schwehreste verbrechen wird hiermit zu recht erkant, weilen sie Maria Renata sowohl in dem geist- als weltlichen Regierungs-Protocollis öfters wiederhohlter mit verschiedenen beschwerlichen Umständen eingestanden hat, wasmassen sie

1mo Eine würkliche Hex und Zauberin seye, auch solches ..."
usw. bis 14to

In 14 Punkten werden sämtliche Tatbestände der eingestandenen Hexendelikte aufgegliedert.

Das Endurteil endet:

„Das solchemnach Maria Renata Sengerin von Mossau wegen dieser ihrer verübten Hexerey und anderen schwehresten Verbrechen zur wohlverdienten Straff, anderen aber zum beharrlichen Beyspiel durch das Schwerd vom Leben zum Tod zu bringen, darauf der Cörper mit Aufsteckung des Kopfs auf dem Pfahl offentlich zu Staub und Aschen zu brennen seye, immassen also erkannt wird von Rechts wegen. Urkundlich hievon gedrucketen Hochfürstl. Wirzburgisches Regierung Zusiegel

Wirtzburg den 21ten Junij 1749"

Die Hinrichtung

Maria Renata Singer von Mossau wurde am 21. Juni 1749 zwischen 8 und 9 Uhr morgens hingerichtet, ihr Leichnam anschließend verbrannt. Noch immer auf der Festung in Haft, bekam sie auf Wunsch am Morgen des Hinrichtungstages eine Weinsuppe. Anschließend sang sie „selbst angestimmet" das Lied: „Wann wird doch mein Jesus kommen." Im großen Saal der Festung wurde ihr dann im Beisein des Hof-Schultheißen und zweier Stadtgerichtsassessoren als Schöffen das Endurteil vorgelesen.

Ihrer Schwäche wegen wurde sie von zwei Nachtarbeitern (Aborträumer oder Hundeschläger, die unehrlich waren) mit einem hierzu besonders verfertigten Stuhl zum Richtplatz getragen, begleitet von etlichen Geistlichen und einem Kommando Soldaten. Der Richtplatz lag auf der Mittleren Bastei gegen Höchberg zu.

Abbildung 2-3: Zeitgenössischer Stich: Verbrennung Renata Singer.

Maria Renata war ganz gelassen und sprach alle Gebete, die auf ihrem letzten Gang gesprochen wurden, laut mit „daß man gar nicht glauben konnte, sie sei eine Hex´", wurde berichtet. Sie beichtete nochmals bei Pater Maurus und sprach das Glaubensbekenntnis. „... als nun Sie Renata gebunden auf den stuhl (Richtstuhl) gesessen ware ... wo mittlerzeit der Kitzinger Scharpfrichter das Schwerdt entblößt, und mit einer so ausnehmenden geschicklichkeit den Kopf abgehauen, daß alle umstehende das vollkommenste vergnügen über diesen so glücklichen vollzug haben verspüren lassen."

Die Leiche wurde in einen Sarg gelegt und zum Scheiterhaufen gebracht. Nachdem Jesuitenpater Georgius Gaar eine - später auch im Druck erschienene - Rede über das Laster der Zauberei an das zahlreich versammelte Publikum gehalten hatte, wurde der Scheiterhaufen angezündet.

Der Kopf aber wurde auf eine Stange gesteckt und mit dem Gesicht nach Unterzell aufgestellt. Den Rauch der Verbrennung müßte man in Unterzell gesehen haben.

Nach soviel Boshaftigkeit und Machtdemonstration gegen die Klosterfrau Maria Renata klingt der letzte Satz dieser Akte etwas versöhnlich: „Was mich anlangt, der solches geschrieben, wünsche ich derselben eine Ewige ruhe und eine glückselige auferstehung.
gegeben Wirtzburg den 23ten Juny 1749."

Wie war die Situation im Kloster nach der Hinrichtung? Herrschte Trauer über den Tod einer Mitschwester? Wurde für Renata gebetet, eine Seelenmesse gefeiert? Nichts dergleichen wird berichtet. Die Erwartung, die „Besessenen" würden nun von den Dämonen befreit sein, erfüllte sich nicht.

Am Grundübel, den hysterischen Anfällen der Nonnen, hatte sich nichts geändert. Von mehreren Verhören der besessenen Schwestern wird noch in den Akten gesprochen. Weiteres wird aus dem Kloster nicht berichtet. Gerichtliche Untersuchungen im Falle Singer wurden bis in das Jahr 1750 hinein weitergeführt. Es kam zu keiner weiteren Verurteilung.

Abbildung 2-4: Titelblatt der gedruckten Rede, die Jesuitenpater Gaar vor dem Scheiterhaufen hielt.

Ortsteil Hexenbruch

Wie schon eingangs erwähnt, bezieht sich der Name des Ortsteils auf einen ehemaligen Steinbruch, den „Hexenbruch", den Verbrennungsort Maria Renatas.

Zwei Berichte über Hinrichtung und Verbrennung sind in den Akten erhalten geblieben. Der Verbrennungsort der Leiche wird unterschiedlich beschrieben. In der sobezeichneten „Kurtze Nachricht" heißt es: „Hierauf wurde ihr Körper an einen Ort vor dem Wald gegen Waldbüttelbrunn zu, wo ehedessen auch Hexen seynd verbrant worden, getragen,...". Im anderen Bericht ist zu lesen: „...und auch also hinaus zu den Scheiderhaufen, nepst bey dem Hüchberger walt, auf einen sehr großen Steinbruch geführt worden,...". Dieser Steinbruch wird auf späteren Plänen Hexenbruch genannt. Dort führte auch ein Fahrweg nach Waldbüttelbrunn vorbei.

Der Name „Hexenbruch" für die an diesen Steinbruch angrenzende Höchberger Flur war schon vor 60 bis 70 Jahren allgemein bekannt. Mit dem Beginn der Bebauung in den 50er Jahren wurde er immer geläufiger und für das gesamte Neubaugebiet übernommen. Heute ist er offizielle Bezeichnung für den neuen Ortsteil.

Mit Übernahme dieses Namens ist auch die Verpflichtung übernommen worden, den geschichtlichen Hintergrund in die Ortsgeschichte von Höchberg mit einzubeziehen und sich auch damit auseinanderzusetzen.

Der Hexenbruch - der übliche Verbrennungsplatz?

Für die immer wieder gehörte Aussage, im Hexenbruch seien früher „die Hexen verbrannt worden", fand ich keine Belege. Weniger als 50 Jahre (ca. 1590 - 1642) wurden in Würzburg Hexen verbrannt. Kein Hinweis war zu finden, daß Verbrennungen so weit außerhalb der Stadt stattfanden. Erst 1749 (nach einer hundert Jahre andauernden „hexenfreien" Zeit) wurde Maria Renata in Würzburg hingerichtet und auf dem Hexenbruch verbrannt. Sie war auch die einzige Hexe, die auf der Festung eingekerkert war und dort hingerichtet wurde. Der Hinweis in den Gerichtsakten von 1749: „...wo ehedem auch Hexen seyend verbrant worden." ist sehr anzuzweifeln.

Bei der Beratung des Gerichtes am 13. Juni 1749 suchte man einen Verbrennungsplatz für Renata. Die Richter wollten sie auf der Festung verbrennen. Wegen der Feuergefahr für das Schloß aber wurde anders entschieden. Ein früherer Verbrennungsplatz, ein Hexenbruch, schien nicht bekannt gewesen zu sein.

Als Würzburger Hinrichtungs- und Verbrennungsplatz wird für Jahrhunderte der Sanderrasen genannt. Zum einen konnte das Feuer der Scheiterhaufen nicht auf die Häuser der Stadt übergreifen, zum anderen war genügend Platz für eine größere Volksmenge.

Im Jahre 1400, nach der Schlacht bei Bergtheim, ließ der Fürst vier Anführer auf dem Sanderrasen enthaupten und ihre Leichen zur Abschreckung an den Stadttoren aufhängen. 1474 wurde ein Missetäter verurteilt und „danach ausgeführt uf den Sanderanger und ihn zu aschen gebrant." 1528 wurde ein „abgefallener" Mönch dort hingerichtet. Alle Hinrichtungen der Schreckensjahre 1627/29 fanden auf dem Sanderrasen statt. Erst 1749 wird als Verbrennungsort der letzten fränkischen Hexe der schon beschriebene Umbruch, der Hexenbruch, genannt.

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